Hauptfolge des Einschlusses: die bewaffnete Neutralität

Einführung

Der Einschluss ist eine Konstante der Geopolitik der Schweiz. Im Gallischen Krieg hatte Julius Caesar bereits den Einschluss der Helvetier festgestellt: 

 

„Das helvetische Gebiet stieß auf allen Seiten an natürliche Grenzen. Auf der einen Seite war es der außerordentlich tiefe und breite Rhein, der die Grenze zwischen dem helvetischen und germanischen Gebiet bildet, auf der anderen Seite erhob sich zwischen den Helvetiern und den Sequanern das steile Gebirge des Jura, und endlich grenzten auf der dritten Seite der Genfer See und die Rhône das helvetische Gebiet gegen unsere Provinz ab. Diese Lage brachte es mit sich, dass die Helvetier nicht allzuweit umherschweifen und nur schwer mit ihren Grenznachbarn Krieg anfangen konnten. Da sie jedoch kriegerische Menschen waren, litten sie unter diesen Verhältnissen. Im Hinblick auf ihre hohe Bevölkerungszahl und den Ruhm, den sie auf Grund ihrer Kriegstaten und ihrer Tapferkeit besaßen, hielten sie ihr Gebiet, das sich 240 Meilen in die Länge und 180 Meilen in die Breite erstreckte, für zu klein.‟ (1)

 

Ein geopolitischer Determinismus will, dass jede Enklave bestrebt ist, einen Weg aus dem Einschluss zu suchen. Dies hat sich bereits im Zeitalter Helvetiens bestätigt. Orgetorix, Chef der helvetischen Stämme, überzeugte sein Volk, das Land mit all seinen Mitteln zu verlassen, um in der Region Toulouse sich neu anzusiedeln. Die Stadt Toulouse liegt nur einige wenige Kilometer vom Meer entfernt, zusätzlich am Ufer der Garonne und somit auf der Flusskommunikationsachse zwischen dem Mittelmeer und dem Atlantischen Ozean. Die Hoffnung, diese neue Heimat zu erreichen, wurde rasch durch den geopolitischen Ehrgeiz Caesars zunichtegemacht. Er sperrte den Helvetiern den Weg und die Niederlage von Bibracte (58 v.Chr.) zerstörte alle ihre Träume. Caesar ließ von den 263'000 Helvetiern jedoch 110'000 das Leben und verwies sie in ihr altes Territorium. Diese Milde seitens des römischen Generals erklärt sich sehr wahrscheinlich durch die Tatsache, dass durch die Abwesenheit der Helvetier im heutigen schweizerischen Mittelland ein geopolitisches Vakuum entstanden wäre, wo sich sehr schnell germanische Stämme hätten ansiedeln können. Dieses Vakuum konnte oder wollte Caesar nicht mit eigenen Mitteln füllen. Somit wurde das Schicksal der Helvetier besiegelt und die Geschichte nahm ihren bekannten Lauf. Der Einschluss blieb das Schicksal des Landes. In der Folge hatten die Helvetier und die Schweizer weder den Willen noch die finanziellen, materiellen und personellen Mittel gehabt, um sich von dieser sehr ungünstigen geopolitischen Lage zu befreien und passten sich der Situation zwangsläufig an. 

 

Um die Begierde der umschließenden Mächte im Laufe der Zeit zurückzuhalten, hat sich die Neutralität als das einzige friedliche und wirksame Mittel erwiesen. Der italienische Irredentismus, die napoleonischen Annexionen, die österreichischen Territorialforderungen, zwei Weltkriege mit den Invasionsplänen der Kriegführenden wurden zwar zu schwerwiegenden Prüfungen, aber in einer dermaßen belebten Geschichte gab es keine Alternative zur Neutralität, es sei denn, man hätte auf die Unabhängigkeit verzichtet. 

 

(1) CAESAR Gaius Julius, Der Gallische Krieg, Reclams Universal-Bibliothek Nr. 1012, Stuttgart, 2004, S. 4. 


Virginia Bischof Knutti©2011