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Imperium USA - Die skrupellose Weltmacht

Angel- und Drehpunkt des Buches ist das UNO-Gewaltverbot von 1945, das die Androhung und Anwendung von Gewalt in der internationalen Politik verpönt. In 16 gründlich recherchierten Kapiteln zeigt der Autor, der Tessiner Friedensforscher Daniele Ganser, dass seit ihrer Entstehung die USA nur die eigenen Regeln befolgen. Dabei verstossen sie öfters gegen das Völkerrecht, aber gelegentlich auch gegen die Gesetze des US-Kongresses.

Dass der Autor in gewissen Kreisen als  Verschwörungstheoretiker diffamiert wird, soll die Leserinnen und Leser nicht daran hindern, dieses Buch mit offenem Geist zu lesen und sich Gedanken über die Weltmacht USA zu machen. Denn Naivität ist keine Option, Zynismus aber ebenso wenig. 

 

Die USA sind die grösste Gefahr für den Weltfrieden

Als Imperium bezeichnet der Autor „das militärisch, wirtschaftlich und politisch mächtigste Land einer gegebenen Zeit.“ Diese Definition trifft auf die USA seit 1945 zu. Belegen lässt sie sich durch folgende Fakten: Die USA haben nach 1945 am meisten Länder bombardiert, nämlich 23; Krieg ist ein Geschäft, wovor der US-amerikanische Präsident Roosevelt die Weltöffentlichkeit warnte; die US-Militärausgaben sind Weltrekord; die USA sind eine Atommacht; die USA betreiben über 700 Militärstützpunkte in fremden Ländern; die USA haben mehr als 200’000 Soldaten im Ausland stationiert. 

 

Die USA sind eine Oligarchie

Der Autor streitet ab, dass die USA demokratisch regiert werden. Vielmehr sei eine Oligarchie am Werk. Regiert werden die USA durch 300’000 Superreiche US-Amerikaner, die die US-Aussenpolitik steuern und vom US-Imperialismus profitieren. Unter diesen befinden sich 540 Milliardäre. Am anderen Ende des gesellschaftlichen Spektrums befinden sich 100 Millionen Arme. US-Wähler haben keinen Einfluss auf die Politik. 

 

Die Indianerkriege

Der Autor lädt zu einem Exkurs in der US-Geschichte, beginnend mit der Teilung Amerikas unter den europäischen Grossmächten. Es folgen die Gründung von Jamestown durch die Engländer 1607, die Entstehung der dreizehn Kolonien, die Unabhängigkeitserklärung von 1776, der Kampf gegen das britische Imperium, der Krieg gegen Mexiko 1846 und schliesslich die Vernichtung von 4 Millionen Indianern. Die Geschichte der USA ist keine Geschichte des Triumphs von Freiheit, Fortschritt und Demokratie, denn diese Werte sind in den dreizehn Kolonien von der Sklaverei überschattet.  Weil die Indianer sich nicht versklaven liessen, liessen sich die europäischstämmigen Plantagenbesitzer  die notwendigen Arbeitskräfte aus Afrika kommen. Rund 12 Millionen Afrikaner sind diesem Sklavenhandel zum Opfer gefallen. 

 

Nordamerika ist nicht genug

Kaum hatten die USA 1776 ihre Unabhängigkeit erklärt, begannen sie ihre Expansionskriege nach Norden und Süden und in Übersee. Der Autor erklärt die Umstände unter denen die US-Amerikaner ihre Eroberungskriege rechtfertigen. Dabei folgen sie stets dem gleichen Muster: Sie provozieren ihren Gegner und verleiten ihn zu fehlerhaftem Verhalten. Dann schlagen sie zu. Es war der Fall in folgenden Kriegen: der Putsch in Hawai 1893, die Eroberung von Kuba und Puerto Rico 1898 und die Eroberung der Philippinen 1898.

 

Die USA und der Erste Weltkrieg 

„Die USA haben immer wieder Krieg gegen europäische Grossmächte geführt und gewonnen. Entscheidend dabei war, dass die USA niemals gleichzeitig gegen alle europäischen Mächte kämpften, sondern immer nur gegen einzelne, während sie sich mit anderen Kämpfern verbündeten.“ Das ist das strategische Prinzip vom "Divide et impera“, das schon die Römer beherrschten. Im Ersten Weltkrieg landeten US-Truppen erstmals auf europäischem Boden. Dabei hebt der Autor die Frage der Kriegsschuld hervor: „Die wachsende wirtschaftliche Stärke von Deutschland sahen die Angelsachsen mit grossem Unbehagen. Eine geheime Elite sehr wohlhabender und einflussreicher Männer in London und Washington habe daraufhin entschieden, mit dem Mord in Sarajewo Deutschland in einen Krieg zu verwickeln und dauerhaft zu schwächen. Diesen Plan haben sie mit Erfolg umgesetzt, aber vor der Geschichtsforschung geheim gehalten.“

 

Die USA und der Zweite Weltkrieg

Der Zweite Weltkrieg hat die USA endgültig zur grössten Macht verholfen. Problematisch ist in diesem Kapitel der amerikanischen Geschichte der Eintritt der USA in den Krieg mit dem Angriff von Japan auf Pearl Harbor 1941. Denn die US-Regierung hat 3’000 ahnungslose Militärs auf dem Stützpunkt wissentlich geopfert: „Viel US-Amerikaner, und auch viele Europäer, wissen bis heute nicht, dass Roosevelt vom Angriff der Japaner auf Pearl Harbor nicht überrascht war und diesen durch das Erdölembargo sogar provoziert hatte.“

 

Verdeckte Kriegführung

„Um ihre Krise vor der Öffentlichkeit zu verbergen, setzen die USA auf verdeckte Kriegführung. Diese umfasst Kriegshandlungen gegen souveräne Staaten, bei denen der Angreifer nicht offen auftritt. Dabei wird zum Beispiel eine fremde Regierung durch US-Geheimdienste oder US-Spezialeinheiten in Zusammenarbeit mit lokal rekrutierten Söldnern gestürzt, ohne dass eine vom US-Kongress verabschiedete Kriegserklärung vorliegen würde.“ Zugpferd solcher Operationen ist die CIA. Als Beispiele hierfür schildert der Autor zehn Fälle: die Wahlenmanipulation in Italien (1948), das Stürzen der Regierung im Iran (1953) und in Guatemala (1954), die Ermordung von Premierminister Lumumba im Kongo (1961), von Trujillo in der Dominikanischen Republik (1961), von Präsident Diem in Vietnam (1963), von General Schneider in Chile (1970), von Che Guevara in Bolivien (1967), die Mordanschläge auf Fidel Castro (1961) und der illegale Angriff auf Kuba (1961).  

 

Die Ermordung von Präsident Kennedy

Weil Präsident J.F Kennedy den CIA-Direktor Allen Dulles 1961 entlassen hatte, vermutet der Autor, dass Dulles hinter dem Anschlag auf den US-Präsidenten steckt - allerdings ohne es beweisen zu können. „Einige in der CIA und im Pentagon hassten Kennedy und kamen zu dem Schluss, dass der charismatische junge Präsident eine Gefahr für die imperiale Vorherrschaft der USA sei und eliminiert werden müsse. Besonders der alte und hinterlistige frühere CIA-Direktor Allen Dulles, der von Kennedy nach dem Fiasko in der Schweinebucht gefeuert wurde, war eine Todfeind des Präsidenten.“ 

 

Der Vietnamkrieg

Beim Eintritt der USA in den Vietnamkrieg befanden sich, so der Autor, 16’000 US-Amerikaner als „Berater“ in Vietnam. Ein Monat vor seiner Ermordung wollte Kennedy sie stufenweise zurückholen. Doch dazu kam es nicht. Seine Nachfolger Johnson und Nixon vergrösserten und verlängerten den Krieg. Der Autor weist in zahlreichen Fällen auf Kriegslist, Kriegsverbrechen und verdeckte Operationen hin: die Lüge vom Tonkin-Zwischenfall (1964), der Abwurf von Napalm, das Kent-State-Massaker (1970), das Stürzen von Präsident Sukarno in Indonesien (1965), das Massaker von My Lai, der geheime Krieg gegen Kambodscha und Laos und die gemeinsame Bewaffnung mit den Briten der Roten Khmer in Thailand.

 

Die Iran-Contra-Affäre

Im Herbst 1986 wurde die Iran-Contra-Affäre öffentlich bekannt. Die Regierung von Präsident Ronald Reagan hatte Einnahmen aus geheimen Waffenverkäufen an den Iran an Guerillas in Nicaragua weitergeleitet, die sogenannten Contras, um die Regierung in Nicaragua zu stürzen. Durch diesen Skandal wird die Brisanz der US-Machtpolitik unter drei Aspekten sichtbar: 1. Der geheime Krieg, den die Contras mit Hilfe der CIA gegen die Regierung von Nicaragua führten, verstiess gegen das UNO-Gewaltverbot. 2. Der US-Kongress hatte der CIA explizit untersagt, die für die Contras bewilligten Gelder für einen Regierungssturz zu verwenden, weshalb die verdeckte Operation auch gegen US-Gesetze verstiess. 3. Der Iran gehörte seit der Islamischen Revolution von 1979 zu den politischen Feinden der USA, und Waffenverkäufe an den Iran verletzten das strikte Wirtschaftsembargo, das der US-Kongress verhängt hatte.

 

Die Anschläge vom 11. September 2001

Mit rund 3’000 Toten ist 9/11 der bisher grösste Terroranschlag in der Geschichte. Was damals passierte, ist bis heute nicht geklärt. Drei Geschichten sind gemäss Autor im Umlauf: 1. Die Surprise-Geschichte: Das ist die offizielle Erklärung von Präsident George W. Bush, die besagt, dass der Anschlag von arabischem Muslimen vom Terrornetzwerk al-Qaida durchgeführt wurden, wobei die US-Regierung völlig überrascht wurde. 2. Die Let-it-happen-on-Purpose-Geschichte: Sie besagt, dass der Anschlag von radikalen Muslimen durchgeführt wurde, die US-Administration aber, wie bei Pearl Harbor 1941 vom bevorstehenden Anschlag wusste und diesen auch bewusst zugelassen hat, um das eigene Volk zu schockieren. 3. Die Make-it-happen-on-Purpose-Geschichte: Sie besagt, dass 9/11 ein Anschlag unter falscher Flagge war, der von Kriminellen innerhalb der US-Geheimdienste organisiert wurde, die die Türme sprengten und das Verbrechen den Muslimen in die Schuhe schoben, um Krieg im nahen Osten zu führen. Eine objektive Beurteilung ist nicht möglich, da die Fakten unter Verschluss bleiben. 

 

Der sogenannte "Krieg gegen den Terror"

Nach 9/11 führten die USA Krieg gegen Afghanistan, Pakistan, Irak, Libyen, Syrien und andere Länder. Der Autor prangert nicht nur das illegale Vorgehen der USA, sondern auch die unkritische Verbreitung der Kriegspropaganda durch die Leitmedien: „Wie hätte die westliche Weltgemeinschaft reagiert, wenn Russland, Nigeria oder China die Länder Afghanistan, Pakistan und den Irak angegriffen hätte? Hätten unsere Leitmedien nicht sofort - und zu Recht - den eklatanten Verstoss gegen das UNO-Gewaltverbot kritisiert? Hätte man nicht sofort auf das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Völker verwiesen und erklärt, dass sich andere Länder nicht einmischen dürfen? Warum hat sich in de USA niemand darüber aufgeregt, dass im Irakkrieg mehr als eine Million Iraker getötet wurden? Warum störte sich niemand an den 300’000 Toten in Afghanistan und Pakistan?“ Und beantwortet die Frage selbst: „Die sehr effiziente US-Kriegspropaganda hat solch grundlegende Fragen verhindert und, wenn sie auftauchen, als lächerlich oder unwichtig abgetan.“

 

Das digitale Imperium

Die US-Regierung und die liberal gesinnte Welt stehen immer zur Stelle, wenn es darum geht, die Überwachung der Bürger in China anzuprangern. Doch wie steht es mit der Überwachung der eigenen Bürger? „Auch Politiker und Militärs in den USA überwachen ihre eigene Bevölkerung. Weil die USA gegenwärtig das Imperium sind, versuchen sie sogar, über jeden Menschen auf der ganzen Welt eine digitale Akte anzulegen. Denn Information ist Macht.“ Der Autor deckt auch unter anderem auf, wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia organisiert ist, wie sie funktioniert und in welchem Umfang sie glaubwürdig ist. 

 

Der Kampf um Eurasien

Die globale Vormachtstellung der USA hängt in Zukunft davon ab, wie das Imperium mit den komplexen Machtverhältnissen auf dem eurasischen Kontinent fertig wird und ob es dort das Aufkommen einer dominierenden, gegnerischen Macht verhindert kann. Gemeint sind China und Russland. In Bezug auf Russland meint der Autor: „Die 159 Millionen Menschen in Russland haben nie zugelassen, dass die USA auf russischem Boden Militärstützpunkte errichten. Wie der Iran wird Russland in NATO-freundlichem Medien daher andauernd diffamiert. Die Fakten zeigen aber klar, dass nicht Russland, sondern die USA bis an die Zähne bewaffnet sind.“ Und China hat die grösste Armee und die grösste Volkswirtschaft der Welt. 

 

Kommentar

Der Blick und die Argumentation von Daniele Ganser orientieren sich stets nach dem Gebot des Gewaltverbots, das nicht nur in den USA, sondern auch weltweit kaum beachtet wird. Leuten, die sich täglich mit internationaler Politik auseinandersetzen, dürfte deshalb die humanistisch geprägte Argumentation des Autors, obwohl durchaus lobenswert, doch etwas naiv und realitätsfremd vorkommen. 

Geopolitisch gesehen ist die Vormachtstellung der USA eine nachvollziehbare und logische Folge, denn sie zeichnete sich ab, sobald das britische Joch abgeschüttelt wurde. Zudem kam die Geografie den Gründungsvätern der USA entgegen. Sie hat bestimmt, dass hier ein politisches Gebilde, wenn es das Land erobern kann und es dann vom Atlantik zum Pazifik kontrolliert, eine Grossmacht sein würde. Es ist diese seltene geografische Lage, die den USA einen breiten und direkten Zugang zu zwei Ozeanen bietet, die ihnen verhalf, die Kontrolle des amerikanischen Kontinenten und des Weltmeers für sich zu beanspruchen. Zudem haben die Europäer, mit ihren blutigen Auseinandersetzungen, wesentlich dazu beigetragen, die USA zur Vormacht zu verhelfen, indem sie Unterstützung von ihnen anforderten. 

Doch das rechtfertigt keineswegs die Vorgehensweise, die die USA in ihrer Machterweiterung und -ausübung gewählt haben. Die Gesetzwidrigkeit, mit der sie konsequent vorgehen in der internationalen Politik hat nicht mit Donald Trump begonnen. Würde man die aussenpolitischen Machenschaften aller 45 Präsidenten der USA, von George Washington bis Donald Trump, auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersuchen, käme kaum einer ungeschoren davon. 

In Ermangelung einer solchen Untersuchung und angesichts der allgemeinen Ohnmacht der Alliierten und Gegner der USA sowie der mangelnden Attraktivität einer akzeptablen Alternative aus China konzentriert sich die Wut der Medien und Amerikagegner auf Donald Trump. Dabei übersehen die meisten, dass die USA, ob demokratisch oder republikanisch regiert, zunehmend das Bild des Niederganges einer Nation abgeben. Um sein Imperium zu retten, könnte Washington morgen oder übermorgen zu einem radikaleren politischen System übergehen, und wir Europäer wären sogar gezwungen, es ohne Wenn und Aber für gut zu befinden und zu übernehmen. 

 

Virginia Bischof Knutti©22.10.2020

 

Imperium USA 

von Daniele Ganser

Orell Füssli Verlag

ISBN 978-3-280-05708-8

392 Seiten

erschienen 2020

 

 

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