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So will sich die Stadt Chur künftig entwickeln

Ein offener Brief an Frau Stadträtin Sandra Maissen

Sehr verehrte Frau Stadträtin

 

Anlass für diesen offenen Brief an Frau Stadträtin Sandra Maissen ist der Artikel von Hans Peter Putzi in Südostschweiz Online vom 15. Juni 2021 „So will sich die Stadt Chur künftig entwickeln“ und die darin enthaltene Aufforderung an die Bevölkerung, viele Hinweise und Rückmeldungen zu äussern. Diese Möglichkeit möchte ich nun wahrnehmen, einerseits als ehemalige Bewohnerin von Chur (2017-2021), andererseits als Spezialistin der Geopolitik, die in der lokalen Dimension ihren sichtbarsten Niederschlag in der Raumplanung findet. 

 

Grundsätzlich ist jede Bestrebung, aus Chur eine attraktive Stadt zu machen, zu begrüssen. So ist der Ausbau der Fachhochschule ein entscheidender Vorteil, sowie der Umbau des Kasernenareals oder die Begrünung der Wohnquartiere, wenn man bedenkt, dass Chur nicht nur für die Churerinnen und Churer da ist, sondern auch für die verschiedensten Bedürfnisse des weit grösseren Umlandes. So kommen täglich Bündnerinnen und Bündner aus den entlegensten Tälern des Kantons, um in Chur einen Spezialistenarzt, ein Möbelgeschäft oder eine Buchhandlung aufzusuchen. Denn Chur ist im Südosten der Schweiz die einzige Stadt weit und breit. Die nächstgelegene Stadt von ähnlicher Grösse ist Meran (37’436 Einw.), circa 200 km von Chur entfernt in der Region Trentino-Südtirol. Schneller erreichbar sind allerdings die Agglomerationen um den Bodensee bzw. Zürichsee. Wenn wir Chur in der Konkurrenz zu anderen Städten künftig besser positionieren wollen, dann muss die Stadt tatsächlich und mit aller Entschiedenheit aufgewertet werden. Doch im oben erwähnten Artikel vermisse ich eines: den Lärm- und Emissionsschutz. 

 

Durch Chur führen die Autobahn A13, die Rhätische Bahn, der Rhein, die Plessur und unzählige Hochspannungsfreileitungen. Das alles verursacht Tag und Nacht Lärm und schädliche Emissionen, gegen welche die Churer Bevölkerung schutzlos ausgeliefert ist - weshalb ich auch weggezogen bin. Es besteht lediglich eine Lärmschutzwand and der Autobahn auf dem Territorium der Nachbargemeinde Felsberg und - man staune - teilweise auf der Höhe des Industriegebiets von Domat/Ems. Damit wird aber nur ein Bruchteil der Bevölkerung des Churer Rheintals geschützt. In Chur selbst sind keine solchen Vorrichtungen vorhanden. Dennoch wurden neulich im Au-Quartier, wo ich dreieinhalb Jahre gewohnt habe, zwölf aneinandergereihte, direkt an der Autobahn liegende Wohnhäuser erbaut. 

 

Mehr Bauten oder mehr vereinzelte Bäume sind keine Garantie für ein attraktiveres Leben in der Stadt, vor allem in den Wohnquartieren. Es ist an der Zeit, die Bundes-, die kantonalen Behörden und Ihre Behörde auf die Missstände im Churer Rheintal bezüglich Lärm und schädliche Emissionen aufmerksam zu machen und dringend Verbesserungen für die Bevölkerung zu fordern bzw. einzuleiten. Als Beispiel möchte ich die Stadt Neuchâtel nennen, die durch konsequente Umleitung des Autobahnverkehrs in Tunnels, grüne Flächen entstehen lässt oder - noch pragmatischer - die Walliser Gemeinde Fully, die ihren Autobahnanteil mit Solarpannels zu überdecken gedenkt. 

 

Einen zweiten Punkt möchte ich noch anbringen: Während Sie damit rechnen, dass die Churer Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren um rund 1 Prozent pro Jahr wächst, verliert meine neue Gemeinde - Surses - laut Prognose in derselben Zeitspanne genau 1 Prozent Bevölkerung. Selbstverständlich ist es Sache des Kantons und nicht der Hauptstadt, die regionalen Disparitäten zu ebnen, doch vielleicht können Sie und Ihre Stadtratskollegen auch beitragen, in Ihren künftigen Überlegungen die Peripherie mit zu berücksichtigen, zum Beispiel bei Kulturprojekten oder bei der Förderung der romanischen Sprache. 

 

Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen bestens und grüsse Sie

 

freundlich

 

 

sig. Virginia Bischof Knutti 

 

Dieser offene Brief wird auf meinem Blog veröffentlicht: https://virginiabischofknutti.jimdofree.com/blog/.

 

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