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Holz - Ein von Natur aus strategischer Stoff - Teil 2

Anfang Dezember 2021 war in der Bündner Presse zu lesen, dass ab Winter 2023 auf dem Areal der Sursetter Gemeindesägerei in Tinizong  die grösste Sägerei der Schweiz entstehen soll. Das ist das Ziel des Projektes „resurses 2025“ unter der Leitung der Savogniner Firma Uffer  AG. 

Im ersten Teil der Analyse haben wir uns mit dem strategischen Wert von Rohstoffen auseinandergesetzt und die Basis gelegt, um die Tragweite des Projektes „resurses 2025“ zu erfassen. 

In diesem zweiten Teil geht es darum, anhand des Dokumentes „Ressourcenpolitik Holz 2030“ wie der Bund den strategischen Wert von Holz umsetzen will  und ob das Projekt „resurses 2025“ darin passt und gute Chancen zu bestehen hat. 

Damit die Initiative der Gemeinde Surses und dem Kanton Graubünden als Rohstofflieferant im Allgemeinen langfristig vollumfänglich gelingt, wäre von der geopolitischen Perspektive her die Realisierung von mindestens drei lokalen Rahmenbedingungen zu prüfen.

 

Grundlage und Stellenwert

 

Grundlage dieser Analyse ist die Ressourcenpolitik Holz 2030 (1.) Umgesetzt wird diese mittels Aktionsplan Holz (AHP) (2). Der Zeitrahmen erstreckt sich von 2021 bis 2026. 

 

Die Vielzahl der unter der Federführung des BAFU beteiligten Ämter und Organisationen zeigt welchen Stellenwert der Bund der Ressourcenpolitik Holz beimisst. Auf Bundesebene sind es: das Bundesamt für Energie BFE, das Bundesamt für Raumplanung ARE,  das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, das Bundesamt für Landwirtschaft BLW, das Bundesamt für Wohnungswesen BWO und das Bundesamt für Kultur BAK. Dazu kommen die Kantone, die Wald-, die Holz- und Energiewirtschaft sowie die relevanten Hochschulen. 

 

Das Handlungsprogramm Ressourcenpolitik Holz 2030 tangiert eine Vielzahl von Bereichen wie die folgende Abbildung zeigt: 

 

Abbildung 1: Einbettung und Abgrenzung der Ressourcenpolitik Holz

 

Quelle: Nach Bundesamt für Umwelt BAFU, Ressourcenpolitik Holz 2030, S. 26.

 

Doch bevor wir uns mit den Dokumenten auseinandersetzen, wollen wir uns vergegenwärtigen, welche Bestände und Vorräte  vorhanden sind und wie sie verwendet bzw. nicht verwendet werden. 

 

Der Schweizer Wald: 

  • bedeckt ein Drittel der Landesfläche - Tendenz seit 150 Jahren steigend, vor allem in den Alpen und in den Voralpen;
  • besteht aus mehr als 500 Mio. Bäumen;
  • besteht zu fast 70 % aus Nadelbäumen und zu 30 % aus Laubbäumen;
  • wächst jährlich um die Grösse des Zugersees oder täglich um 15 Fussballfelder; 
  • liefert seit Jahrzehnten mehr Holz als geerntet wird;
  • mit 350 m3 Holz pro Hektare zählt der Schweizer Wald zu den vorratsreichsten Wäldern Europas.

 

Das Schweizer Holz: 

  • wächst durchschnittlich 80 bis 120 Jahre, bis es geerntet wird;
  • wird jährlich im Umfang von rund 5 bis 6 Mio. m3 geerntet; 
  • bildet einen Vorrat von 350 m3 Holz pro Hektare, was dem  höchsten Holzvorrat Europas entspricht;
  • besteht heute in tiefen Lagen zu 40 % aus jungen Buchen - Tendenz steigend; 
  • liefert heute 12 % der in de Schweiz erzeugten Wärmeenergie; 
  • eignet sich bestens für die bauliche Verdichtung von Städten und steckt bereits in fast 10 % der neu konstruierten Gebäuden. 

 

Die Schweizer Wald-, Holz- und Holzenergiewirtschaft: 

  • beschäftigt rund 95’000 Menschen, viele davon in den Randregionen;
  • generiert jährlich rund 6 Mrd. Franken Wertschöpfung, was circa 1 % des BIP entspricht;
  • verzeichnet einen inländischen Verbrauch von rund 11,2 Mio. m3 Holz, wobei circa die Hälfte durch Importe gedeckt wird;
  • erwirkt in der stofflichen Verwertung im Vergleich zur energetischen knapp 7 Mal mehr Wertschöpfung oder 7 Mal mehr Arbeitsplätze. 

 

Klimabilanz des Holzes

Der Wald ist ein wichtiger Erholungsort. Als die Coronapandemie im Frühjahr 2020 ausbrach, wurde er von vielen BewohnerInnen (wieder) besonders geschätzt. Doch der Wald übt auch andere wichtige Funktionen aus. Das Bundesamt für Umwelt BAFU hebt hervor, dass die Schweiz dreimal von Wald und Holz profitiert und spricht in diesem Zusammenhang von den sogenannten 3S: 

 

S für Sequestrieren von CO2 im Wald

S für Speicherung von CO2 in Holzprodukten

S für Substitution fossiler Baustoffe mit Holz.

 

Bedenken bezüglich der Klimaneutralität von Wald und Holz sollen durch die unten stehende Skizze ausgeräumt werden: 

 

Abbildung 2: Der Kohlenstoffkreislauf

 

Quelle: Nach BAFU, Ressourcenpolitik Holz 2030, S. 14.

 

Legende:

  1. Das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) wird dank Sonneneinstrahlung und mittels Photosynthese umgewandelt. 
  2. Sauerstoff (O2) geht in die Atmosphäre.
  3. Kohlenstoff wird im Holz gespeichert.
  4. Am Ende des Lebenszyklus wird das Holz beispielsweise verbrannt und CO2 gelangt in die Atmosphäre. 

Die Pfeilrichtungen verdeutlichen somit auf etwas idealisierte Weise die CO2 Neutralität des gesamten Lebenszykluses von Holz. 

 

Problemanalyse

Nach meiner Einschätzung und in eigenen Worten formuliert, entstehen folgende Hauptprobleme:

  1. Der Schweizer Wald krankt seit Jahren an mangelnder Bewirtschaftung. Er wuchert, veraltet und nimmt an Qualität ab, während die Hälfte des inländischen Holzbedarfs mit Importen gedeckt wird. 
  2. Angesichts der Klimaneutralität des Rohstoffes und einer Reihe von aktuellen Megatrends wie z.B. Urbanisierung, Ressourcenknappheit oder Ökologisierung ergibt sich für den Bund der Zwang, die Basis für einen neuen Markt rundum das Schweizer Holz zu legen. 
  3. Von der Ernte bis zur Verfeuerung über das Recycling soll das Holz in eine Kreislaufwirtschaft integriert werden und eine Kaskadennutzung durchlaufen, sodass Stammholz, Industrieholz und Energieholz jeweils mehrfach genutzt werden.

 

Lösungsansätze

Nach meiner Einschätzung und in eigenen Worten wiederum formuliert, führt diese Problemanalyse zu folgenden Lösungsansätzen: 

 

  1. Es liegt auf der Hand, dass älteres Tannenholz in tieferen Lagen geerntet und durch klimaresistentere Laubbäume ersetzt werden soll. 
  2. Als Folge werden grosse Mengen an Tannenholz auf dem Markt landen, das möglichst im Lande gewinnbringend umgesetzt werden soll, indem z.B. Holz vermehrt als Substitut für Beton in der Bau- und Wohnkultur auf dem Land und in den Städten Verwendung finden sollte.
  3. Damit die Wertschöpfungskette innovativ bleibt, soll sie durch Forschung und Entwicklung unterstützt werden, z.B. durch kantonale Fachhochschulen oder Forschungsinstitute des Bundes. 

 

Positive Perspektiven

Damit das Vorhaben des Bundes gelingt, muss zumindest die billigere internationale Konkurrenz möglichst in Schach gehalten und gleichzeitig Anreize für inländische hochwertige Qualitäts Produkte geschaffen werden. Die folgenden Rahmenbedingungen dürften eine vernünftige Preispolitik unterstützen:

 

  • Laut BAFU wurden in Schweizer Ein- und Mehrfamilienhäusern, öffentlichen Gebäuden und Gewerbebauten im Jahr 2015 rund 900’000 m3 Holz verbaut. 2009 lag dieses Volumen noch bei 750’000 m3, was einem Wachstum von 10 % entspricht. 
  • In Surses allein wird im kommunalen räumlichen Leitbild vom 21. April 2020 folgenden Erneuerungs- und Sanierungsbedarf des Gebäudebestandes (2016) erörtert: „Rund ein Drittel des Gebäudebestandes wurde vor 1980 erstellt bzw. letztmals saniert. Weitere 40 % des Gebäudebestandes sind älter als 20 Jahre. Lediglich 25 % des Gebäudebestandes wurde in den letzten 20 Jahren erstellt bzw. saniert.“
  • Insgesamt entwickelt sich die Schreiner- und Holzbaubranche positiv. Insbesondere im Bauen mit Holz konnten interessante und volumenstarke Marktfelder wie das mehrgeschossige Bauen mit Holz erschlossen werden, was die Nachfrage nach verleimtem Konstruktionsholz und Holzwerkstoffen markant erhöht. Schätzungen zu Folge ist der Inlandverbrauch von Leimholz etwa dreimal höher als die Inlandproduktion. Für die Schweizer Sägeindustrie zeigt sich hier ein grosses Potenzial in der Bereitstellung von Vorprodukten für verleimte Querschnitte und in der integrierten Weiterverarbeitung zu verleimten Produkten. 
  • In der letzten Jahren hat die Produktion und Nachfrage nach Energieholz stetig zugenommen. 

 

Fazit und Schlussfolgerung

Erinnern wir uns: Die grösste Sägerei der Schweiz bei Domat/Ems musste vor zehn Jahren die Bilanz deponieren. An ihrer Stelle entsteht ein Hightech-Unternehmen, das viel mehr Wertschöpfung verspricht. Die Erfahrung zeigt, dass Produktionstandorte die Nähe von anderen Herstellern suchen, um Lieferketten zu verkürzen und siedeln sich deshalb öfters am gleichen Ort an. Somit entsteht im Churer Rheintal ein Industriepark, welcher in einem hoch profitablen Segment operiert. Das will nicht heissen, dass eine grosse Sägerei da keine Erfolgschancen gehabt hätte. Sie hätte zumindest den Vorteil gehabt, einen Anschluss an die Transportkapazitäten der Eisenbahn zu haben, der in Tinizong nicht vorhanden ist. 

 

Das Projekt „resurses 2025“ ist ein grosses Glück für Surses, das nun in die Bresche springen kann und die Basis für eine neue Wertschöpfungsquelle des Rohstoffes Holz legen kann. Denn die Rahmenbedingungen mit der Ressourcenpolitik Holz 2030 sind noch nie so gut gewesen wie heute. 

 

Damit die Initiative der Gemeinde Surses und dem Kanton Graubünden als Rohstofflieferant im Allgemeinen vollumfänglich gelingt, wäre von der geopolitischen Perspektive her die Realisierung von mindestens drei lokalen Rahmenbedingungen zu prüfen:

 

  1. Dezentralisierung von Forschung und Entwicklung in Surses: Die namhaften Fachhochschulen oder Forschungsinstitute des Bundes liegen alle im Unterland. Da treffen sie vorteilsweise auf eine grosse Anzahl Studierender. Im Fall von Forschung an natürlichen Ressourcen wie Holz wäre aber die Nähe des Rohstoffes zu bevorzugen, und zwar um die wirtschaftliche Entwicklung der Randgebiete zu fördern. Deshalb wäre es vorteilhaft, wenn unweit der grössten Sägerei der Schweiz auch eine Forschungsstätte entstehen würde, z.B. einen Ableger der EMPA oder der ETH Zürich. Denkbar wäre auch, dass die Fachhochschule Graubünden in diesen Forschungsbereich einsteigt. 
  2. Ortsumfahrungen in Surses: Mit der Entstehung der grössten Sägerei der Schweiz entsteht gezwungenermassen einen grösseres Schwerverkehrsaufkommen auf der Julierstrasse, die seit dem 1. Januar 2020 zur Nationalstrasse erkoren wurde, womit nun Bau und Unterhalt Sache des Bundes sind. Die Vorabklärungen bezüglich Ortsumfahrung von Cunter und Bivio liegen nun in Bern vor. Ihre Reaktivierung wäre kurz- bis mittelfristig zu begrüssen. 
  3. Bahnanschluss für Surses: Langfristig kann jedoch eine Sägerei des angedachten Ausmasses ohne Bahnanschluss nach ökologischen Aspekten nicht nachhaltig operieren. Das könnte auch keine Fabrik im Unterland. Deshalb wäre hier die Möglichkeit eines Anschlusses wie auch immer an die RhB zu prüfen. 

Virginia Bischof Knutti©25.01.2022

 

Quellen

  1. Ressourcenpolitik Holz 2030, Strategie, Ziele und Aktionsplan Holz 2011-2026, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern, 202, https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wald/publikationen-studien/publikationen/ressourcenpolitik-holz.html.
  2. Aktionsplan Holz 2021-2026, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern, 2021, https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wald/publikationen-studien/publikationen/aktionsplan-holz.html.
  3. Gemeinde Surses, Kommunales räumliches Leitbild, vom Gemeindevorstand beschlossen am 21. April 2020, S. 9, https://surses.ch/uploads/files/kommunalses-raeumliches-leitbild.pdf.

 

 

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