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9th Report on the State of the Alps

Teil 3 - Fünf Szenarien

Im Dezember 2022 ist der 9. Bericht über den Stand der Alpen der Alpenkonvention erschienen: „9th Report on the state of the Alps“ - abgekürzt RSA9. 

Der Bericht ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil fokussiert auf eine Analyse der Alpenstädten und mündet auf eine Reihe von Erkenntnissen und Debatten. Der zweite Teil präsentiert fünf  mögliche Szenarien  für die Entwicklung von Alpenstädten. 

Ich habe den 9th report on the state of the Alps in drei Teile gegliedert. Vor zwei Wochen haben wir den ersten Teil „Erkenntnisse“ und letzte Woche den zweiten Teil „Debatten“ besprochen. Diese Woche widmen wir uns dem dritten und letzten Teil „Fünf Szenarien“.  Der Betrachtungsstandpunkt liegt beim Jahr 2050.  

Viele Gemeinden werden sich ihre eigenen Gedanken schon längst gemacht und wohl auch Massnahmen in die Wege geleitet haben. Sie mögen sogar ihre Handlung in dem einen oder anderen Szenario erkennen.  Für die anderen, die noch auf der Suche sind, ist es wichtig vorauszuschicken, dass diese Szenarien in der Regel nicht eins zu eins anwendbar sind, zumal manche Szenarien recht radikal erscheinen mögen.  Vielmehr sollen einzelne Elemente zur Herstellung eines eigenen Konzeptes dienen. 

 

Ein Szenarienprozess für zukunftsfähige Alpenstädte

Was steht den Alpenstädten bevor und wie können sie sich am besten auf eine ungewisse Zukunft vorbereiten? Das ist Gegenstand des zweiten Teils des 9. Berichtes der Alpenkonvention zum Zustand der Alpen - Alpine Towns - Part 2: five Pictures of the Future. (1)

 

Der Szenarienprozess bietet einen Rahmen, um die Zukunft der Alpenstädte vor dem Hintergrund globaler Megatrends wie des Klimawandels sowie lokaler, alpenspezifischer Herausforderungen zu diskutieren. Ihr spezifisches Ziel ist es, einen ausgewogenen Blick zu bieten, wie sich Alpenstädte bis 2050 entwickeln können, wobei sowohl ihre Anbindung in der globalisierten Welt als auch ihre spezifische Rolle bei der Gestaltung von Transformationsprozessen anerkannt werden.

 

Das Ergebnis sind fünf Szenarien, die mögliche zukünftige Entwicklungen aufzeigen, darunter viele positive, aber auch einige kritische Entwicklungen und Erkenntnisse darüber, wie sich diese für die Alpenstädte entwickeln können. Obwohl nicht jedes Szenario für eine Alpenstadt geeignet ist, können die Szenarien als Orientierungshilfe für die strategische Entscheidungsfindung dienen. 

 

Alpenstädte können als Dreh- und Angelpunkte des Wirtschaftswachstums, der Innovation, der Kultur und der Kreativität betrachtet werden und bestimmen häufig das allgemeine Wohlergehen einer ganzen Region. Die Entwicklung einer solchen effektiven Drehscheibe erfordert jedoch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, einschliesslich des öffentlichen Sektors, der Zivilgesellschaft und natürlich der Wirtschaft des Privatsektors.

 

Eine Darstellung der Zukunft der Alpenstädte

Welche Entwicklungen werden künftig die grössten Auswirkungen auf die Alpenstädte haben?

 

Der erste Schritt des Szenarienprozesses bestand darin, die Schlüsselfaktoren, basierend auf dem 2019 von der Europäischen Umweltagentur veröffentlichten Bericht „Drivers of change of relevance for Europe’s environment and sustainability“ (2), an den alpinen Kontext anzupassen. Die Schlüsselfaktoren wurden unter diesen Haupttreibern des Wandels wie folgt zusammengefasst:

 

Tabelle 1: Drivers of change of relevance for Europe’s environmental and sustainability

 

Driver "Demography, urbanization & spatial development"

  1. Demography and Migration
  2. Spatial structures & development
  3. Mobility & logistics, infrastructure and space
  4. Mobility & logistic services
  5. Buildings, construction & neighborhood planning
  6. Living in Alpine towns 

Driver "Environment & resources"

  1. Urban-rural ecosystems & biodiversity
  2. Land consumption & sealing
  3. Water - water demand, water supply & water management
  4. Energy - energy demand, use of renewable energy systems, energy efficiency & sufficiency

Driver "Economy, labor market, innovation"

  1. Innovation strategies - Alpine towns as innovation hubs
  2. Alpine towns’ economy - economic models, structures & players
  3. Digitalization of Alpine towns - connected, smart, responsive

 

Driver "Global transformation"

1. USPs (unique selling points) for Alpine towns 

 

Driver "Governance"

  1. Urban-rural governance
  2. EU and national governance framework: recognition of local/urban needs
  3. Citizen participation - open government in Alpine towns 

 

Driver "Lifestyles, quality of life, accessibility"

  1. New work in Alpine towns 
  2. Alpine digital mindset - role of communication technologies & communication patterns 
  3. Consumer trends - consumption patterns
  4. Culture and heritage in Alpine towns 

 

Quelle: 9th Report on the state of the Alps, Part 2: Five Pictures of the Future, eigene Darstellung

 

Wie könnte die Zukunft für bestimmte Schlüsselfaktoren aussehen? Der zweite Schritt bestand darin, mehrere zukünftige Projektionen für alle Schlüsselfaktoren festzulegen. Dadurch entstanden mehrere Dimensionen, die die Zukunft nicht nur als „schwarz oder weiss“/ oder „gut oder schlecht“ begreifen lassen. Die Abbildungen 3  und 4 „The Future Map for Alpine towns (Part 1 and 2)“ geben einen Überblick der angedachten Projektionen. (3)

 

Wie sieht die Zukunft der Alpenstädte aus? Der dritte Schritt bestand darin, mögliche Entwicklungen in fünf Szenarien zu veranschaulichen. Zusammengenommen vermitteln sie ein ausgewogenes Bild davon, wie die Zukunft der Alpenstädte aussehen könnte. Die Szenarien basieren auf unterschiedlichen Ansätzen, wobei der Schwerpunkt auf unterschiedlichen Kooperationsgraden, unterschiedlichen Stakeholder-Rollen innerhalb des Governance-Prozesses, unterschiedlichen Risikoansätzen, aber auch unterschiedlichen Prioritäten in zukünftigen Strategien liegt.

 

 

Szenario 1: Bündelung der Kräfte - Einbindung der Alpenstädte in Städte-Land-Partnerschaften

Koordinations- und Partnerschaftskonzepte stehen im Mittelpunkt dieses Szenarios. Die Alpenstädte haben erkannt, dass künftige Herausforderungen zu komplex sind, um sie individuell zu lösen. Vielmehr müssen sie in grösseren Stadt-Land-Partnerschaften koordiniert werden, die auf funktionalen Ansätzen aufbauen und nicht auf räumlichen Grenzen basieren. Dringende Probleme werden gemeinsam identifiziert und gelöst, Governance und Raumplanung gehen Hand in Hand und wichtige Herausforderungen werden proaktiv angegangen, indem Pilotaktivitäten und Kooperationen genutzt werden, die sich auch über die Grenzen erstrecken. Die Stadt-Land-Partnerschaft wird daher als progressiv und koordiniert bezeichnet.

 

Was könnte in diesem Szenario schiefgehen?

  • Gewinner vs. Verlierer: Für dieses Szenario sind stabile Kooperationsmechanismen entscheidend, die auf Vertrauen und gegenseitigem Verständnis aufbauen.
  • Klumpenrisiko: Trifft ein ganzes städtisch-ländliches Gebiet eine unkluge Entscheidung, z. B. im Dienstleistungs-, Mobilitäts- oder Tourismussektor, könnten grosse Investitionen unrentabel werden. Das bedeutet, dass strategische Entscheidungen unter Berücksichtigung potenzieller Risiken und externer Faktoren fundiert entwickelt werden müssen.
  • Soziale Spannungen: Wenn Kooperation nicht zu sozialem Zusammenhalt in der Region führt, sondern die sozialen Spannungen verstärkt, könnte dies Menschen und Unternehmen zur Abwanderung veranlassen und damit einen Wendepunkt für die Attraktivität der Alpenstädte insgesamt darstellen.
  • Unfähigkeit, fundierte Entscheidungen zu treffen und kurzfristig zu handeln: Die Zusammenarbeit vieler Akteure aus verschiedenen Sektoren und Einrichtungen erfordert eine effiziente Governance-Struktur, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Wenn die Governance-Strukturen vernachlässigt werden, werden Entscheidungen der Partnerschaft zwischen Stadt und Land insgesamt vertagt oder nicht gefällt. Als Folge dürften dringende Probleme ungelöst bleiben. 

 

Szenario 2: Hohes Risiko/hohe Rendite

In diesem Szenario verfolgten die Alpenstädte einen risikoreichen strategischen Ansatz, der sich voll und ganz auf die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Stärken konzentriert, um das lokale Wohlergehen zu maximieren. Die Alpenstädte haben sich für einen zukunftssicheren Ansatz entschieden, der ganz auf Freizeit-Migration, Tourismus und die Anziehung von Wohlhabenden ausgerichtet ist. Kurzfristig ist dies ein wirtschaftlich erfolgreicher Ansatz. Wenn er jedoch durch äussere Kräfte behindert wird, hat er das Potenzial, soziale Spannungen zu erzeugen, indem er ein Ungleichgewicht zwischen Gewinnern und Verlierern schafft.

 

Was könnte in diesem Szenario schiefgehen?

In diesem Szenario ist die Gefahr der sozialen Segregation am augenfälligsten und kann verschiedene Aspekte beinhalten, wie folgende Aufzeichnung zeigt. 

 

  • Für Bürger aus unteren, aber auch mittleren Einkommensgruppen, die nicht zu den Zielgruppen gehören, ist der Wohnungsmarkt herausfordernd geworden - aus attraktiven Gebäuden und Häusern in günstiger Lage sind Privatwohnungen, Hotels, Co-Housing/Co-Working Spaces etc. geworden. Der „Airbnb“-Effekt führt nach und nach zu einer Verdrängung bestehender Bewohner und lokaler Unternehmen, die nicht an zielgruppenspezifische Dienstleistungen gebunden sind.
  • Auch die Governance-Strukturen werden vollständig optimiert, um den Bedürfnissen der spezifischen Zielgruppen gerecht zu werden und alle relevanten Stakeholder mit dieser spezifischen Vision an Bord zu bringen. Bürgerbeteiligung wird nur in einer getrennten Art und Weise umgesetzt, wobei der Schwerpunkt auf der Ermächtigung und Einbeziehung wohlhabenderer Bürger liegt.
  • Nicht alle Neuankömmlinge sind in die lokale Kultur integriert. Wirtschaft und Verwaltung konzentrieren sich auf bestimmte touristische und wirtschaftliche Bedürfnisse. Dies schränkt die Auswahl an Einkaufs-, Freizeit- und Kulturangeboten für andere Bürger ein und verringert ihre Lebensqualität.
  • Die Segregation zwischen Einheimischen, Touristen, „working nomads“  (und anderen Gruppen) in Verbindung mit einem hohen Mass an „Übertourismus“ kann zu sozialen Spannungen führen, die die Attraktivität mindern.
  • Weitere Risiken wie der Klimawandel, zukünftige Pandemien oder andere Ereignisse mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, aber hoher Auswirkung könnten die Siedlungsstrukturen völlig zerstören. Die Fähigkeit zur Abfederung externer Schocks oder zur Bewältigung unerwünschter Entwicklungen im Zusammenhang mit der Hochrisikostrategie ist sehr gering.

 

Szenario 3: Öko-Modellstadt

Manche Alpenstädte haben sich für eine „Forward Space“-Strategieentschieden. Der Klimawandel und andere Umweltbelastungen werden in der besonders gefährdeten Alpenregion immer deutlicher sichtbar. Die Alpenstädte haben den starken Ehrgeiz entwickelt, beim Klimaschutz an vorderster Front zu stehen und den Ansatz der grünen Wirtschaft zu stärken. Durch die Bündelung aller alpenspezifischen Kompetenzen (z. B. spezifische Bautechniken, klimaangepasste Landwirtschaft usw. ) verbessern sie ihre eigene Widerstandsfähigkeit und verwandeln gleichzeitig wirtschaftliche Bedrohungen durch den Klimawandel in Chancen. Mit diesem Vorreiter-Ansatz haben die Städte auch erkannt, dass ernsthafter Klimaschutz über technologische Innovationen hinausgeht und auch neue Lebens- und Konsumgewohnheiten erfordert.

 

Was könnte in diesem Szenario schiefgehen?

  • Risiken von Überdigitalisierung, Tech-Aversion und Cyber-Attacken: Der Öko-Model-Ansatz nutzt intelligente digitale Lösungen und Big Data. Öffentliche Verwaltungen, aber auch Bürger und Wirtschaftsakteure sollen neue digitale Instrumente (z. B. Verwaltungsdienste) nutzen, ÖV-Dienstleistungen über mobile Apps buchen usw. Dies könnte zu einer wachsenden Abneigung gegen den digitalen Wandel und der immer grösseren Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologien führen. Wenn sich immer mehr Interessenträger von diesem Modell abmelden, könnte dies den gesamten Modellstadt-Ansatz gefährden. Ebenso könnten Cyberangriffe und der steigende Energiebedarf zu Bedrohungen werden.
  • Soziale Kipppunkte: Lässt der Öko-Modellansatz zu viele wirtschaftliche Verlierer zu, könnte dies zu weit verbreiteten sozialen Unruhen oder Konflikten führen.
  • Wirtschaftliche Risiken: Wenn grosse produzierende Unternehmen in einer Alpenstadt angesiedelt sind und eine hohe Anzahl von Arbeitsplätzen bieten, könnte der Verlust dieser Unternehmen die finanzielle Stabilität der gesamten Stadt gefährden.

 

Szenario 4: Bürgerorientierter Ansatz - Ein integrativer Ansatz für den Brückenbau

Das Szenario geht von der Annahme aus, dass die Alpenstädte eine starke Bevölkerungsverschiebung erleben werden, mit einem Trend zum Bevölkerungswachstum und einer viel grösseren Identitätsvielfalt. Doch statt sich auf monodimensionale Entwicklungen zu konzentrieren und neue Einflüsse abzulehnen, geht dieses Szenario von einem einladenden Ansatz aus: Alpenstädte nutzen diese grössere Vielfalt als Chance, entwickeln ein neues Image und eine lokale Identität, die auf einer starken Bürgerbeteiligung basiert. Es fokussiert  auf einen integrativen Ansatz, der zu neuen Lebensstilen und einem stärkeren Bewusstsein für Mensch-Umwelt-Interaktionen führt. Durch den Bottom-up-Ansatz führt es zu Spill-over-Effekten in Richtung Umweltschutz.

 

Was könnte in diesem Szenario schiefgehen?

Dieses Szenario veranschaulicht ein idealistisches Bild einer pluralistischen Alpenstadt, die alle Synergien und Vorteile einer grösseren Diversität voll ausschöpft und alle politischen Kräfte in die Entwicklung dieses Ansatzes einbezieht. Auf dem Weg könnten jedoch mehrere Stolpersteine  liegen:

 

  • Konflikte aufgrund von Fremdenfeindlichkeit oder Fehlinformation: Langzeitbewohner können von den Neuankömmlingen und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Vorstellungen überwältigt werden. Sie sind daran interessiert, ihren Status quo zu erhalten und befürchten negative soziale und wirtschaftliche Folgen, insbesondere wenn die Wirtschaft in Schwierigkeiten ist.
  • Soziale Segregation: Wenn die Raum- und Nachbarschaftsplanung nicht vollständig auf den einladenden Ansatz abgestimmt sind, könnten sich Konflikte in Bezug auf die soziale Segregation ergeben. 
  • Auch zukünftige Gesundheits- oder Umweltkrisen könnten den Diversity-Ansatz behindern: Wenn Menschen sich isolieren müssen, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern, oder wenn Hitzewellen oder wiederkehrende Stürme eine Bedrohung darstellen, sind sie nicht in der Lage, sich am Dialog und Austausch zu beteiligen und der gesamte Prozess steckt fest.

 

Szenario 5: Notbremse - Starke Regulierung und Schutz zur Aufrechterhaltung einer guten Lebensqualität

In diesem Szenario haben nicht nachhaltige Lebensweisen und Wirtschaftsmuster zu einer beschleunigten Umweltzerstörung und einer übermässigen Nutzung der alpinen Transportkapazitäten geführt. Der Klimawandel hat zu vermehrten Wasserkonflikten, Herausforderungen für die Berglandwirtschaft und hitzebedingten Krankheiten geführt. Der ständig steigende Anteil an individueller Mobilität und Tourismusnachfrage hat die Belastbarkeit der Alpenstädte an ihre Grenzen gebracht. Konflikte sind spürbar geworden und die Alpenstädte sind gezwungen, die „Notbremse“ zu ziehen, um eine gute Lebensqualität zu erhalten und weitere und irreversible Auswirkungen auf die alpine Natur und Biodiversität zu vermeiden. Sie haben sehr strenge Regulierungsansätze eingeführt, die auf Befehls- und Kontrollmechanismen basieren. Technologisch angetriebene Transformationsprozesse, Veränderungen von Konsumgewohnheiten und Lebensstilen sind ebenfalls notwendig.

 

Was könnte in diesem Szenario schiefgehen?

Das Szenario selbst ist eine Reaktion auf bereits beobachtbare Umwelt-Streitpunkte und zielt auf einen starken regulatorischen Ansatz. 

 

  • Soziale Konflikte: In diesem Szenario entwickeln sich rasch Regulierungsmechanismen mit negativen Auswirkungen auf die Planungssicherheit. Die Erfahrungen mit der COVID-Pandemie haben gezeigt, dass die Teilnahme an solchen Prozessen schwierig ist und eine starke und transparente Führung mit klaren Rahmenbedingungen notwendig ist. Eine gute Kommunikation ist daher in diesem Szenario für die soziale Stabilität unabdingbar. Soziale Konflikte entstehen dort, wo es eine ungleiche, hohe wirtschaftliche Belastung für einkommensschwache Haushalte gibt, die aufgrund der Vorschriften mit steigenden Kosten für Wohnen, Verpflegung und Mobilität zu kämpfen haben.
  • Fragliche wirtschaftliche Stabilität: Es ist fraglich, ob ein solcher isolierter Regulierungsansatz langfristig wirtschaftlich machbar ist. Doch mit ihrer starken Fokussierung auf lokale Wertschöpfungsketten und dem Potenzial, energieautark zu werden, könnten Alpenstädte wirtschaftliche Wendepunkte vermeiden.

 

Kommentar

Der Ansatz, die Anzahl Alpenstädte im Kanton Graubünden bis zu 13 potenziellen Alpenstädten von über 3’000 Einw. zu erhöhen, dürfte die Basis für ein demographisches und wirtschaftliches Wachstum ausserhalb des Churer Rheintals legen. Das wiederum würde sich in einer quantitativen Besserung der Infrastruktur der Peripherie und  schliesslich zur ersehnten „Dezentralisierung der Konzentration“ führen.

 

Angel- und Drehpunkt aller Szenarien ist die Anfälligkeit des dünnen sozialen Gefüges, das bei höherer Bewertung  wirtschaftlicher und/oder ökologischer Interessen unter Umständen reissen könnte. 

 

Selbstverständlich kann nicht jede Gemeinde Alpenstadt werden. Denn damit sind zahlreiche Pflichten und Aufgaben verbunden, die sich heute schon in manchen Gemeinden aufgrund von Fachkräfte- und Know-how-Mangel kaum bewältigen lassen. Doch mit den aktuellen elf Regionen wäre der Kanton Graubünden gut bedient, wenn er pro Region eine Alpenstadt hätte. Das würde die Konzentration der Alpenstädte im Churer Rheintal etwas bremsen und zentrumsschwachen Regionen wie Albula und Moesa eine motivierende Entwicklungsperspektive geben. 

 

Der Ansatz der Erhöhung der Alpenstädte ist auf jeden Fall eine Überlegung wert, vor allem an der Peripherie, wo die Bevölkerungsperspektive bis 2050 am ungünstigen ist. Handeln sollte man jedoch, bevor der prognostizierte Bevölkerungsrückgang zu weit geschritten ist. 

 

Virginia Bischof Knutti©01.02.2023

 

Quellen:

  1. Alpenkonvention, 9th Report on the state of the Alps, Alpine Towns - Part 2: Five Pictures of the Future, Dezember 2022, https://alpinetowns.alpconv.org/part-2-scenarios/.
  2. European Environment Agency, Drivers of change of relevance for Europe’s environment and sustainability, No 25/2019, Luxemburg, https://www.eea.europa.eu/publications/drivers-of-change.
  3. Alpenkonvention, 9th Report on the state of the Alps, Alpine Towns, Part 2: Five pictures of the Future, S. 12-13.

 

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